Was ist Redispatch 2.0?

Im bisherigen “Redispatch” wurden ausschließlich konventionelle Kraftwerke ab einer Leistung von 10 MW gezielt geregelt, um Überlastungen im Stromnetz zu vermeiden und somit die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten.

Nach dem am 13. Mai 2019 in Kraft getretenen Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) müssen zukünftig auch Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen), Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlagen) und Energiespeicher ab 100 kW sowie Anlagen, die jederzeit durch den Netzbetreiber fernsteuerbar sind, in den Redispatch 2.0-Prozess miteinbezogen werden. Das NABEG ersetzt das bisher geltende Einspeisemanagement von Erneuerbare-Energie-Anlagen (EE-Anlagen) und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlagen) im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG). Die Rahmenbedingungen des Redispatch 2.0 sind in §§ 13, 13a und 14 EnWG geregelt und von Netzbetreibern und Anlagenbetreibern verpflichtend umzusetzen. Die neuen Regelungen müssen ab dem 01. Oktober 2021 umgesetzt werden.

Ziel der Regelungen ist es, deutschlandweit ein präventives Engpassmanagement aufzubauen. In Zukunft soll der Netzzustand deshalb mit Hilfe von Plandaten und Prognosen für einen Planungshorizont von ca. 36 Stunden im Voraus bestimmt und gegebenenfalls optimiert werden. Falls Netzengpässe erkannt werden, sind diese durch die Netzbetreiber durch entsprechende Steuermaßnahmen der Anlagen zu beheben. Im Gegenzug hat der betroffenen Anlagenbetreiber nach einer erfolgten Redispatch-Maßnahme Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich, sodass ihm keine Nachteile entstehen.  

Welche wesentlichen Aufgaben müssen Sie als Anlagenbetreiber im Redispatch 2.0 erfüllen?

  • Ausübung oder Benennung der Marktrollen des Einsatzverantwortlichen (EIV) und des Betreibers der Technischen Ressource (BTR)
  • Bereitstellung von Stammdaten
  • Bereitstellung von Bewegungsdaten
  • Wahl der Abrufart Ihrer Anlage für die Leistungsreduzierung (Aufforderungsfall oder Duldungsfall)
  • Wahl des Bilanzierungsmodells Ihrer Anlage (Planwertmodell oder Prognosemodell)
  • Wahl des Abrechnungsmodells Ihrer Anlage (Pauschalverfahren, vereinfachtes Spitzabrechnungsverfahren oder Spitzabrechnungsverfahren)

Datenaustausch

Stammdaten

Im Redispatch 2.0 sind Anlagenbetreiber dazu verpflichtet Stammdaten für alle betroffenen Erzeugungsanlagen zu liefern. Die Stammdaten beinhalten bspw. Identifikatoren zur genauen Zuordnung im Prozess, detaillierte Anlagenparameter sowie die gewählten Abrechnungs- und Bilanzierungsmodelle. Stammdaten bilden unter anderem ab, wie gut die jeweilige Anlage für Engpassmaßnahmen geeignet ist und geben dem Netzbetreiber Aufschluss darüber wie sich die Anlage verhält.

Bewegungsdaten

Mit Hilfe von Bewegungsdaten kann ein exaktes Abbild der Netzsituation geschaffen werden um Engpässe frühzeitig zu erkennen. Die zu übermittelnden Bewegungsdaten sind von der Wahl des Bilanzierungsmodells abhängig. Im Prognosemodell müssen dem Netzbetreiber Informationen zu marktbedingten Anpassungen und Nichtbeanspruchbarkeiten übermittelt werden, um Erzeugungsprognosen zu ermöglichen, während der Anlagenbetreiber im Planwertmodell selbst für die Übermittlung von Prognose- und Plandaten der Erzeugungsanlage verantwortlich ist.

Connect+

Das Netzbetreiberprojekt “Connect+” bietet eine deutschlandweit einheitliche Kommunikationsschnittstelle, um den EIVs eine effiziente Erfüllung ihrer Datenliefer- und Datenempfangsverpflichtungen an den Netzbetreiber zu ermöglichen. Stamm- und Bewegungsdaten können mit Hilfe des von Connect+ bereitgestellten IT-Systems “RAIDA”, welches die neue Marktrolle des “Data-Providers” für den Redispatch 2.0 einnimmt, automatisiert vom EIV an die betroffenen Netzbetreiber weitergeleitet werden. Zusätzlich können Abrufinformationen und Abrufaufforderungen an den EIV und Lieferanten übermittelt werden. Um die Kommunikationsschnittstelle nutzen zu können, ist es erforderlich, dass sich alle EIVs bei der Plattform Connect+ registrieren.

Neue Marktrollen im Redispatch 2.0

Betreiber der Technischen Ressource (BTR)

Der BTR ist für den Betrieb einer Technischen Ressource (TR) verantwortlich. Dies kann im Redispatch-Prozess die Übermittlung von Echtzeitdaten oder meteorologischen Daten für die Ermittlung der zu bilanzierenden Energiemenge bzw. Ausfallarbeit umfassen. Der Anlagenbetreiber muss die Rolle selber ausüben oder an einen Dritten delegieren.  Die Rolle muss vom Anlagenbetreiber wahrgenommen werden, soweit dieser keinen Dritten (z. B. einen Direktvermarkter) mit der Wahrnehmung beauftragt. Wir als Ihr Anschlussnetzbetreiber können die Rolle des BTRs nicht übernehmen.

Einsatzverantwortlicher (EIV)

Der EIV ist für die Planung und Einsatzführung einer technischen Ressource (TR) und die Übermittlung der Fahrpläne verantwortlich. So muss er die für den Netzbetreiber erforderlichen Daten der Anlage aktuell und vollständig gemäß den gesetzlichen Verpflichtungen bzw. des Beschlusses der Bundesnetzagentur zur Informationsbereitstellung (BK6-20-061) bereitstellen. Dazu gehören insbesondere verbindliche Informationen über den prognostizierten Anlageneinsatz und Nichtbeanspruchbarkeiten der Anlage. Der Datenaustausch wird über die Austauschplattform Connect+ abgewickelt. Des Weiteren hat der EIV Aufforderungen zur Anpassung des Anlageneinsatzes zur Unterstützung des Netzbetriebes umzusetzen. Die Rolle wird vom Anlagenbetreiber wahrgenommen, soweit dieser keinen Dritten (z. B. einen Direktvermarkter) mit der Wahrnehmung beauftragt. Wir als Ihr Anschlussnetzbetreiber können die Rolle des EIVs nicht übernehmen.

Was sind Technische und Steuerbare Ressourcen (TRs/SRs)?

Technische Ressourcen (TRs) und Steuerbare Ressourcen (SRs) sind neue Identifikatoren (IDs) gemäß Rollenmodell für die Marktkommunikation im deutschen Energiemarkt und dienen im elektronischen Datenaustausch zwischen den Marktpartnern als eindeutige Benennung von technischen Objekten. Eine TR ist dabei ein technisches Objekt, das Strom verbraucht und/oder erzeugt (bspw. ein Speicher oder ein Generator). Eine SR wirkt auf mindestens einen Netzanschlusspunkt, ist steuerbar, setzt sich aus mindestens einer TR zusammen und ist mindestens einer Marktlokation (MaLo) zugeordnet.

Die Identifikatoren für TRs und SRs werden entsprechend der Bildungsvorschrift durch die Codevergabestelle des BDEW an den Netzbetreiber vergeben und bestehen aus einer 11-stelligen ID-Nummer. Der Netzbetreiber muss die TR-ID, die SR-ID und die Zuordnung dieser Identifikatoren zu den Erzeugungsanlagen an den Anlagenbetreiber übermitteln, welcher wiederum die Ressourcen IDs seinem benannten EIV zur Verfügung stellt. Sollte der EIV mit der von uns vorgenommenen Zuordnung von TR zu SR nicht einverstanden sein, erfolgt eine Abstimmung über das Postfach strom@stadtwerke-ratingen.de.

Abrufarten von Redispatch-Maßnahmen

Stellt der Netzbetreiber durch Berechnungen einen Engpass fest oder wird von einem anderen Netzbetreiber zur Mithilfe angewiesen, greift er in die Erzeugungsleistung der Anlagen in seinem Netzgebiet ein, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Es wird zwischen dem Aufforderungsfall, bei dem der Anlagenbetreiber bzw. der EIV selbst die Steuerung der Anlage übernimmt und dem Duldungsfall, bei dem der Netzbetreiber die Anlage regelt, unterschieden.

Bilanzierungsmodelle

Im Redispatch 2.0 wird sowohl die eingespeiste, als auch die abgeregelte Energiemenge je Viertelstunde einem Bilanzkreis zugeordnet und somit ein bilanzieller Ausgleich erzielt. Hierfür wird grundsätzlich zwischen dem Prognose- und dem Planwertmodell unterschieden. Beide Modelle unterscheiden sich vor allem in der Frage, wer die Erzeugungsprognosen erstellt.

Planwertmodell

Im Planwertmodell werden die Erzeugungsprognosen für jede TR durch den EIV erstellt und in Form von Planungsdaten mindestens am Vortag dem Anschlussnetzbetreiber übermittelt. Um am Planwertmodell teilnehmen zu können, muss der EIV die Voraussetzungen des „Kriterienkatalog Planwertmodell“ der Bundenetzagentur (Anhang zu Anlage 1 zum Beschluss BK6-20-059) erfüllen. Der Anschlussnetzbetreiber ist verpflichtet, dem Wechsel einer Anlage in das Planwertmodell zuzustimmen, wenn der Anlagenbetreiber nachgewiesen hat, dass für die Anlage Planungsdaten von ausreichender Prognosegüte geliefert werden können. Ab einer Erzeugungsleistung von 10 MW sind Anlagen verpflichtet am Planwertmodell teilzunehmen.

Prognosemodell

Im Prognosemodell ist der Anschlussnetzbetreiber für das Erstellen einer Erzeugungsprognose verantwortlich. Es müssen somit keine Anlagenfahrpläne durch den EIV and den Anschlussnetzbetreiber übermittelt werden. Alle Anlagen mit einer Erzeugungsleistung von weniger als 10 MW werden standardmäßig dem Prognosemodell zugeordnet.

Abrechnungsmodelle

Das Abrechnungsmodell bestimmt die Berechnungsart der Ausfallarbeit und damit maßgeblich die zu erwartende Kompensation.

  • Bei der Pauschal-Abrechnung erfolgt eine Fortschreibung der letzten vollständig gemessenen Leistungsmittelwerte der Anlage vor der Maßnahme für den Zeitraum der Redispatch-Maßnahme.
  • In der Spitzabrechnung wird die Ausfallarbeit auf Basis von an der Anlage gemessenen Wetterdaten dynamisch je Viertelstunde ermittelt.
  • Im Redispatch 2.0 besteht zudem die Möglichkeit eine vereinfachte Spitzabrechnung („Spitz Light“) zu nutzen, falls keine eigene Messung der Wetterdaten an der Erzeugungsanlage vorhanden ist. Die Wetterdaten in diesem Verfahren werden dabei nicht direkt an der Erzeugungsanlage gemessen, sondern stammen von Wetterdienstleistern oder Referenzanlagen.

Das Modell kann initial frei durch den EIV gewählt werden. Ein Wechsel des Abrechnungsmodells darf nur einmal im Kalenderjahr erfolgen. Wenn sich der EIV einmal für die Anwendung oder den Wechsel in die Spitzabrechnung entschieden hat, so ist ein Wechsel zurück ins Pauschalverfahren ausgeschlossen, es sei denn, die technischen Voraussetzungen sind nicht mehr geben oder es erfolgt eine Einigung zwischen dem Anschlussnetzbetreiber und dem EIV.

Weiterhin ist das Abrechnungsmodell abhängig vom Bilanzierungsmodell und der Art der Energieerzeugung.

Anlagen mit wetterabhängiger Erzeugung (Photovoltaik, Wind)

Bilanzierungsmodell

Planwertmodell

Prognosemodell

Abrechnungsvarianten

 

Pauschal

Spitz light

Spitz light

Spitz

Spitz


Anlagen mit wetterunabhängiger Erzeugung (KWK)

Bilanzierungsmodell

Planwertmodell

Prognosemodell

Abrechnungsvarianten

Spitz

Pauschal

Was ist die Marktpartner-ID?

Im Rahmen der Abwicklung der Redispatch-2.0-Prozesse haben die einzelnen Marktrollen Kommunikationspflichten. Die Kommunikation zwischen den Marktrollen erfolgt verschlüsselt. Hierfür ist eine eindeutige Identifikation mit spezifischen Marktpartner-IDs (MP-ID) erforderlich.

Die MP-ID ist die BDEW-Codenummer für den deutschen Strommarkt gemäß den allgemeinen Festlegungen der EDI@Energy. Mit der BDEW-Codenummer kann jeder Marktteilnehmer und seine jeweilige Rolle im Markt eindeutig identifiziert werden.

Jede Marktrolle im Redispatch 2.0 muss eine MP-ID beantragen. Sollte der Anlagenbetreiber die Rolle des BTRs und des EIVs ausfüllen, muss dieser sich für zwei neue MP-IDs registrieren. Die MP-IDs können auf der Website der Energie Codes & Service GmbH beantragt werden. Wenn Sie einen Dienstleister mit der Rolle des EIVs und BTRs beauftragen möchten, können Sie sich auf der Website der Energie Codes & Service GmbH einen Überblick über alle registrierten EIVs und BTRs machen. Geben Sie hierfür in das Suchfenster die Stichworte “Einsatzverantwortlicher” oder “Betreiber einer Technischen Ressource” ein.

Haben Sie Fragen?

Weitere Informationen zum Redispatch 2.0 finden Sie auf der Website des BDEWs und der Bundesnetzagentur. Sollten weiterhin Unklarheiten vorliegen können Sie gerne über die folgende E-Mail-Adresse mit uns Kontakt aufnehmen: Strom@stadtwerke-ratinge.de.